Polytropos schrieb:Wir haben jetzt - vorsichtig geschätzt - noch ein, zwei Legislaturperioden und dann wird, so oder so, ein etwas anderer Wind wehen, auch in diesem Land, ich denke Ihr wisst was ich meine.
Die Technik ist dann noch weiter fortgeschritten, die KI wird noch in weitere Lebensbereiche eingedrungen sein und diese mehr oder weniger effektiv kontrollieren.
Wie werdet Ihr damit umgehen? Was werdet Ihr tun, wenn plötzlich so manche Leute verstummen? Manche Leute verschwinden? Wenn es nicht mehr nur die trifft, von denen Ihr glaubt, dass sie es auf jeden Fall verdient haben? Wenn man selber vielleicht nicht in der Schusslinie steht, aber aufpassen muss, dass man nicht hineingerät?
Wenn der kleine verlachte Kollege ohne Freunde plötzlich viel schreibt am Handy und einen dabei immer wieder anschaut? Wenn Ihr denkt, heute wäre ein schöner Sternenhimmel, aber irgendwie habt Ihr ein ungutes Gefühl, wenn Ihr Euer tägliches Pflichtpensum an YouTube-Videos nicht guckt?
Was werdet Ihr tun? Hofft Ihr, dass es Euch nicht trifft? Werdet Ihr Euch irgendwie durchwurschteln? Sucht Ihr am Ende einen Ausweg?
Werdet Ihr versuchen abzulenken, Spuren zu verwischen? Biedermeier-Style? Oder vielleicht Eure Haut dadurch retten, dass Ihr über irgendjemand anderen noch mehr wisst?
Wie wollt Ihr dagegen ankämpfen - was wollt Ihr tun, wenn Ihr merkt der Staat ist nicht mehr unsere Gemeinschaft, sondern etwas, das über uns steht und uns kontrolliert?
Würde mich mal interessieren wie Ihr Euch das Leben in der Dystopie so vorstellt. :popcorn:
Ich möchte hier zunächst rein auf die Technik eingehen ohne die politischen Nebenaspekte, respektive politische Aspekte nur auf Technikregulierung beziehen und nicht auf Parteien und wie sie Technik etwa im Bereich Innenpolitik einsetzen könnten. Das mache ich dann unten
:D---
Das Thema KI-Entwicklung an sich interessiert mich mehr. Als Millenial würde ich mich noch/auch als eine Art "digital native" bezeichnen; jemand, der mit neuen Medien usw. groß wurde. Generative KI-Apps nutze ich selbst. Ich bin dem offen gegenüber eingestellt und würde mich - Achtung Schimpfwort für manche - als eine Art "Transhumanist" bezeichnen. Wer damit nichts anfangen kann: Suchmaschine für Begriffsdefinition anwerfen. Ich mach das Wissen zum Begriff jetzt einfach mal dreist zur Holschuld für Interessierte.
Allerdings neige ich so langsam - vielleicht gerade auch als Nutzer generativer Technik - dazu, der kritischen Seite mehr Bedacht bzw. Aufmerksamkeit einzuräumen.
Ich glaube bisher, dass KI bisher noch kaum von Menschen und Regulierung erfasst werden kann, sie aber stärker sich entfalten wird und mit voranschreitender Zeit mehr und mehr Jobs gefährdet werden, wo man sich jetzt ggf. noch in (trügerischer) Sicherheit wiegt.
Das kann auch eine Form der Dystopie sein bzw. zu ihr beitragen. Ich denke, der technische Wandel wird zumindest zunächst oder ab einem gewissen Punkt massiver und schneller die Fähigkeit zur Regulierung erst mal überholen bis man sich ggf. national und eher international langsam sortiert.
So offen ich ggü. der Technik bin, so ist ultimativ auch mein Job ersetzbar durch KI. Mittelfristig.
Anderes Beispiel: Gewisse (freischaffende) Künstler diverser Art haben durch jetzt vorhandende und nutzbare generative Technik schon teils das Nachsehen. Warum soll ich z.B. als Bedarfsträger - sagen wir Privatperson, bei Unternehmen leichter, aber auch hier gilt der preisliche Aspekt - für Projekte hunderte bis tausende Euro, die ich vielleicht dringender woanders einsetzen müsste oder könnte in diesen Zeiten, wenn ich kostenlos oder 10-30 Euro im Monat auch mit großer Skalierbarkeit über generative Apps etwa Musik generieren kann?
Klar, für live acts schwer - aber es haben bereits heute bzw. seit einer Weile Leute abstrakt Nachteile. Für kleine nicht-kommerzielle Spaßprojekte werde ich keinem Künstler mehr hunderte Euro geben um mir ein Werk mit einem bestimmten Stil zu geben von dem ich nicht testweise abweichen kann. Ja, ich würde für ein großes Projekt mir am Ende einen Künstler bzw. Band suchen die mir dann ein authentisches Werk umsetzen kann. Für spezielle Dinger wäre mir das das Geld wert. Aber bis dahin wird halt mit KI rumgespielt oder zumindest fine-tuning betrieben. Die Technik ist also nicht mal zwingend gegensätzlich zu Künstlern sondern kann hier in einem Prozess der Künstler inkludiert mitwirken - aber dennoch ist irgendwo ein Schaden da, weil generative Werke quasi kompetitiv zu menschlichen Werken stehen können und werden. Wenn auch nicht in jedem Szenario.
Star-Ocean schrieb:Aber gut ich versuche es mal: Ich denke in der EU sind wir durch die strengen Regularien noch mit am besten "geschützt" wenn man die Überwachung hier mit der in China oder in den USA vergleicht.
Vielleicht ist das der Pessimist oder Rest-Aluhut in mir aber ich glaube wir würden hier auch nur eine Verzögerung erleben. Ich meine damit nicht irgendwelche bösen "Illuminati-Pläne" sondern etwas, das Nüchterner ist: Ich glaube der technische Fortschritt an sich, Industrie 4.0, inter-connectivity, all so was wird am Ende einfach generell zu mehr Vernetzung führen. Und mehr Vernetzung kann mehr Überwachungsmöglichkeit bedeuten. Es ist ja heute schon so dass in Autos Sim-Karten bzw. GPS-Tracker sind, jedes Smartphone sammelt mindestens anonymiserte Standortdaten wenn man die Funktionen nicht ggf. gezielt ausschaltet.
China treibt als extremes Gegenbeispiel manches auf die Spitze. Auch politisch motiviert. Ich glaube aber es kann einfach auch sein, dass wir uns ungewollt allgemein annähern ohne zwingend politisch einen reinen Kontrollaspekt ausüben zu wollen - einfach weil eben die Technik sich ändert. Es kann halt auch irgendwann in 20 Jahren sein, dass es so was wie Gesichtsüberwachung geben könnte weil es hierfür Datenbanken gäbe die z.B. personenbezogene Daten dann zuordnen können. Vielleicht entwickelt sich so was auch ungewollt in Verbindung mit externem Druck wie durch Terror oder weil ggf. Parteien/Regierungen an die Macht kommen die so was eben als Kontrollinstrument nutzen wollen. Autokratisch gesinnte Mächte bzw. Personengruppen die heute damit keine Chance hätten aber ggf. in 2-3 Jahrzehnten eher.
Aber auch ohne Politikum wird denke ich einfach durch technischen Wandel einfach mehr Datenerfassung (oder die Möglichkeit dazu) folgen. Ist ja heute schon beachtlich, was möglich ist. Auch in westlichen Ländern auf freiwilliger bzw. kommerzieller Basis.
Eine Zukunftsfrage wäre, ob künftig diese Daten noch eher zusammengeführt werden bzw. eine Zusammenführbarkeit wahrscheinlicher wird, ob allgemein oder situativ. Bisher ist ja noch viel verteilt. Könnte sich teils aber ändern. Gerade Leaks, also von Kriminellen verursachte Leaks, könnten hier eine ganz andere Schadenswirkung entfalten als heute. Allein der Gedanke eine vollumfängliche digitale Patientenakte zu leaken...
Anyway, wir sind hier noch gut geschützt aber ich denke auch hier werden, auch wenn Individualität und persönliche Entfaltung in diesen Breitengraden weiter im Fokus stehen werden als Gegenmodell zum Kollektivismus, auch gewisse Formen der konkreten oder situativ möglichen Überwachung steigen. Einfach technischem Wandel geschuldet. Den Trend kann man ja bisher in Teilen ableiten. Besserer Austausch zw. Behörden als Beispiel, was theoretisch die dortige landesübergreifende Verfügbarkeit an Daten erhöht - ergo abstrakt Überwachungsmöglichkeiten steigern kann, wo du heute teils noch Probleme hast z.B. an Sozialdaten zu kommen weil hoch aufgehangen.