Heute Nachmittag auf der Heimfahrt lief im Radio ein Podcast, der mich sehr bewegt hat. Es ging um das sog. Massaker von Gardelegen, bei dem nur wenige Stunden vor dem Eintreffen amerikanischer Truppen 1016 Menschen bestialisch in einer Feldscheune ermordet wurden.
Original anzeigen (0,2 MB)Von U.S. Army photograper. -
http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/images/Holocaust/gard3.jpg, Gemeinfrei,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10546954Bei den Opfern handelte es sich um KZ-Häftlinge, die teils mit der Bahn, und teils auf Todesmärschen in der Region um Gardelegen ankamen und ihre Zielorte kriegsbedingt nicht mehr erreichen konnten. Am Abend des 13. Aprils 1945 wurden sie auf Anweisung des NSDAP-Kreisleiters in eine Feldscheune außerhalb der Stadt gebracht und eingesperrt.
Der zuvor mit Benzin getränkte und mit Stroh bedeckte Boden der Scheune wurde anschließend in Brand gesetzt. Anfangs gelang es den Eingesperrten noch, einige der Brände mit Kleidungsstücken zu löschen, bis die Wachmannschaften anfingen mit allen was sie hatten in die Scheune zu feuern. Dies geschah mit Maschinengewehren, Handgranaten, Panzerfäusten, Signalmunition und Phosphorgranaten.
Sowohl an der Ermordung, wie auch der versuchten Beseitigung von Spuren, waren Funktionäre der NSDAP, SA-Männer, Mitglieder der SS und Waffen-SS, Soldaten der Luftwaffe und der örtlichen Kavallerieschule, Angehörige einer Fallschirmjägereinheit, Polizeikräfte, Angehörige der Hitlerjugend, Volkssturmmänner, Angehörige des Reichsarbeitsdienstes, Angehörige des Technischen Notdienstes und der Feuerwehr, sowie auch "Funktionshäftlinge" beteiligt.
Original anzeigen (0,2 MB)Von Allen, Sgt. E. R. - Gemeinfrei,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=669649Je nach Quelle ist von 7 bis 33 Überlebenden die Rede. Bei nur 305 Ermordeten ließ sich im Nachhinein die Identität bestimmen.
Am 15. April erreichten amerikanische Soldaten den Tatort, 20 beteiligte SS-Soldaten wurden noch an Ort und Stelle erschossen. Der Hauptverantwortliche NSDAP-Kreisleiter und SS-Obersturmbannführer Gerhard Thiele wurde leider nie gefasst. Es gelang ihm mit gefälschten Papieren unterzutauchen, erst als er 1994 starb wurde seine wahre Identität bekannt.
Auf Anweisung der Amerikaner wurden alle männlichen Einwohner Gardelegens die über 16 Jahre alt waren dazu verpflichtet, die teils schon verscharrten Überreste zu exhumieren, und in würdigen Einzelgräbern zu begraben.
Original anzeigen (0,4 MB)Von Daniel Rohde-Kage - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32226099Der Friedhof erhielt von den amerikanischen Truppen den Status eines militärischen Ehrenfriedhofs, für dessen Schändung schwerste Strafen angedroht wurden. Zudem wurden Einwohner von Gardelegen dazu verpflichtet, lebenslang für die Pflege der Gräber zu sorgen. Dies wurde später in der DDR von Schulklassen, FDJ und betrieblichen Arbeitsgruppen weiter geführt.
Ich habe mich heute nachmittag noch mit einigen Einzelschiksalen beschäftigt, die noch viel intensiver das unermessliche Leid verdeutlichen, als die bloße Aufzählung von Daten. Bis heute sind immer noch unzählige Menschen weltweit damit beschäftigt, mehr über das Schicksal ihrer Angehörigen zu erfahren.
In einem Interview berichtete ein Mann aus Australien, wie er erst vor Kurzem erfuhr, dass sein Onkel in eben jener Scheune ermordet wurde, und er nun endlich Gewissheit darüber habe.
Und zum Schluss dieses Beitrags noch ein Bild der Inschrift auf der Scheunenfassade, die deutlich macht wie wichtig das Erinnern und Gedenken gerade in der heutigen Zeit ist...
Original anzeigen (0,3 MB)https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Isenschnibbe_Fassade_Inschrift.jpgNie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!