Teil 4 - Mittwoch, 25. April 1945 - der 96. Tag - 750km nach Beginn des MarschesAn diesem Tag verließen die Gefangenen Wilkenau, die erste Frau wurde bereits nach 1,5km erschossen und liegen gelassen.
Noch am selben Tag erreichte die Kolonne die Stadt Taus im Reichsprotektorat Böhmen. Dort wurden die Anwohner mit Warnschüssen daran gehindert, die Gefangenen mit dem Nötigsten zu versorgen.
Auch im nächsten Dorf versuchten die tschechischen Einwohner die Gefangenen zu versorgen, was Komandant Dörr veranlasste, die Route zu ändern, und auf Nebenstraßen weiter zu marschieren.
Nach weiteren 20km erreichten sie das Dorf Maxberg. Da der Bürgermeister so viele Menschen nicht unterbringen konnte, wurde wieder im Freien übernachtet. Zunächst wurde eine Ausgabe von Suppe organisiert, aber nach anfänglichen Drängeleien wieder eingestellt. In dieser Nacht und am folgenden Morgen gab es nichts zu essen, und erneut starben mindestens 3 Frauen.
Ankunft in Volary - 6 Tage vor KriegsendeAm 3. Mai 1945 erreichten 325 jüdische und 25 deutsche Gefangene Volary. Auch hier versuchten Einwohner den Frauen Essen zu geben, und auch hier wurden sie von den Wärtern daran gehindert.
Doch selbst Dörr hatte zu diesem Zeitpunkt begriffen, dass der Krieg verloren war und beschoss, die Gefangenen am nächsten Tag freizulassen. Erneut wurden die jüdischen Gefangenen selektiert. 150 von ihnen sollten mit den 25 Deutschen zu Fuß in ein Dorf im Grenzgebiet marschieren. Die anderen 175 wurden für marschuntauglich erklärt.
35 von ihnen wurden auf einen Lastwagen verladen der von Dörr persönlich gesteuert wurde. Die anderen sollten später nachgeholt werden. Auf der Fahrt nach Prachatice, dem Dorf im Grenzgebiet, wurde der LKW jedoch von einem Flugzeug angegriffen. Alle Gefangenen und Dörr überlebten, aber eine schwangere Aufseherin kam dabei ums Leben.
Einige Gefangene nutzten die Situation zur Flucht, aber die meisten waren zu schwach um zu fliehen. Unter den verbliebenen Wärtern war auch der Freund der getoteten Wärterin. Dieser ließ 12 Frauen aus Rache erschießen, die anderen 23 wurden in einer Scheune in Bierbruck eingesperrt.
Die Gruppe die zu Fuß unterwegs war erreichte Prachatice in der Nacht, wo die 25 deutschen Frauen freigelassen wurden. 140 sterbende Frauen wurden in einem Schuppen einer Möbelfabrik untergebracht und der Heimwehr übergeben. Die 2 Bewacher machten sich aber in der Nacht aus dem Staub, da sie mit keiner Unterstützung mehr rechneten.
Der 106. und letzte Tag des Todesmarsches - nach 890kmAm darauf folgenden Morgen trieben die Wärter 22 der 23 Frauen auf einen nahegelegenen Berg und erschossen alle bis au 3 von ihnen. Aus dieser Gruppe überlebten neben Lola Lehrer, die sich in der Scheune versteckt hatte noch Anny Fogel, Luba Federman (Dzilovski) und Jadzia Goldblum.
Eine weitere Gruppe, die von Dörr an die Heimwehr in Prachatice übergeben wurde, wurde von dieser ebenfalls auf eine Anhöhe getrieben, jedoch nicht umgebracht. Einen Tag später, als ihre Wärter längst geflohen waren, begriffen die Frauen das sie frei waren, und machten sich in Richtung Osten auf den Weg, wo sie im Dorf Husinec von den Bewohnern versorgt wurden.
Auch die Bewohner von Volary fingen an, sich um die 140 Frauen zu kümmern, die in dem Fabrikschuppen zurückgelassen wurden.
6. Mai - Die Befreiung Als am 6. Mai 1945 die ersten Truppen der US-Armee in Volary einmarschierten, wurden sie von den Einwohnern über die 140 Frauen informiert, von denen inzwischen weitere 22 gestorben waren.
Gerda Weissman-Klein beschreibt den Tag mit folgenden Worten:
Liesel lag auf dem verschmutzten Fußboden. Sie wusste, dass wir frei waren, aber es schien ihre Stimmung nicht zu heben. „Wo ist Suse?", fragte ich sie. ... „Sie ging raus, um Wasser zu holen, und ist nicht zurückgekommen. Sie ist schon lange weg." ... Ich ging, um nach Suse zu suchen. Bei der Pumpe war sie nicht. Ich fand sie in einiger Entfernung im Schlamm liegend. Ihr Blick war glasig, leer, aber einen Augenblick lang bemerkte ich nicht, dass sie tot war. „Suse, wir sind frei!", rief ich aus. „Wir sind frei, der Krieg ist vorbei!" ... Als ich sie berührte, verstand ich ... Ich erzählte es Liesel nicht. Es war zu traurig für den Tag der Befreiung.
https://wwv.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/volary_death_march/index.asp4 Tage später starb dann auch Liesel im Krankenhaus von Volary.
In Volary gab es ein deutsches Militärlazarett, welches in einem 4stöckigen Schulgebäude untergebracht war. Am 7. Mai wurden die unteren 2 Stockwerke die mit deutschen Soldaten belegt waren geräumt, und die 118 Frauen die bis dahin den Todesmarsch überlebt hatten untergebracht. Fast alle litten an Unterernährung und wogen kaum noch 40kg.
Trotz intensiver Pflege starbe noch 19 weitere Frauen im Lazarett. Die meisten Überlebenden konnten Volary erst im Juli verlassen. Im November 1945 verstarb die erst 17jährige Dora Ebbe aus Wiesbaden. Sie war die jüngste von vier Schwestern, die ab Grünberg an dem Marsch teilgenommen hatten.
Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Major Aaron S. Cahan, Sanitätsoffizier der US-Armee:
Der erste Blick auf diese Frauen schockierte mich außerordentlich: ich konnte es nicht fassen, dass ein Mensch so erniedrigt, so verhungert, so mager sein und unter solchen Umständen überhaupt existieren kann … wie Mäuse lagen sie übereinander, zu schwach, um auch nur einen Finger zu rühren… Als ich den Raum betrat, glaubte ich, es läge dort eine Gruppe von Männern… Zu diesem Zeitpunkt schätzte ich ihr Alter auf zwischen fünfzig und sechzig Jahre. Ich war überrascht und schockiert, als ich eines dieser Mädchen nach ihrem Alter fragte und es sagte: „siebzehn", da ich es für nicht jünger als fünfzig hielt… Etwa 75 Prozent der Frauen mussten auf Krankentragen hereingebracht werden. Die übrigen waren imstande, mit Hilfe anderer ihre erschöpften Körper zum Krankenwagen zu schleppen… Als Sanitätsoffizier der Vereinigten Staaten bin ich der Meinug, dass etwa die Hälfte dieser 118 Frauen gestorben wären, wenn man sie nicht entdeckt und auf angemessene Weise gepflegt hätte.
Quelle:
https://wwv.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/volary_death_march/index.asp
Keine Ahnung, was euch beim Lesen dieser Beiträge so durch den Kopf gegangen ist, ich bin jedenfalls zutiefst aufgewühlt, und werde wohl sehr viel Zeit benötigen, um das alles zu verarbeiten.
Und wenn bei irgendeiner Gelegenheit mal wieder die Rede von Todesmärschen ist, werde ich ganz sicher an den heutigen Tag denken, und an die zahllosen unschuldigen Opfer, die in den letzten Wochen des Krieges auf so grausame Weise umgekommen sind.