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Der Holocaust - Erinnerungen an ein Jahrtausendverbrechen

138 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Holocaust, Erinnerungskultur ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Der Holocaust - Erinnerungen an ein Jahrtausendverbrechen

15.04.2025 um 22:36
Zitat von TatsachenTreueTatsachenTreue schrieb:Höchstvermutlich wird diese Dokumentation nach Erstausstrahlung auch recht lange in der Mediathek abrufbar sein.
Diese Dokumentation ist ein Jahr lang bis zum 15.04.26 abrufbar.





Am morgigen Mittwoch, 16.04.25 gibt erfolgt beim BR im Rahmen der Reihe "Kontrovers - Die Story" die Erstausstrahlung einer 30-minütigen Dokumentation mit dem Titel "Kitty Neustätter · Verfolgt, deportiert, ermordet".
Kitty Neustätter führt ein unbeschwertes Leben in München. Sie ist Jüdin, verheiratet mit einem Geschäftsmann, erfolgreiche Turnierreiterin. [...] 1941 gerät sie auf eine Deportationsliste. Sie ist eine von 1.000 Münchner Jüdinnen und Juden, die nach Kaunas in Litauen deportiert und wenige Tage später ermordet werden.

Das Leben von Kitty Neustätter ist gut dokumentiert, denn ihr Mann war leidenschaftlicher Fotograf und hat private Filme - zum Teil bereits in Farbe - gedreht.
Quelle: https://www.br.de/br-fernsehen/programmkalender/sendung-4275322.html

Der Seite ist auch zu entnehmen, dass diese Sendung in der Mediathek verfügbar sein wird. Wie lange, ist noch nicht ersichtlich.





Eine ausführliche, gegliederte sowie bebilderte Biografie von Kitty Neustätter findet sich unter
https://www.erinnerungswerkstatt-muenchen.de/biografien/kitty-neustaetter

Darin werden auch ihre Pläne, zusammen mit ihrem Mann Rupprecht Neustätter nach Australien zu emigrieren, beschrieben. Die rettende Emigration wurde unmöglich, als am 23.10.1941 ein generelles Ausreiseverbot für jüdische Bürger verhängt wurde. Ein Detail des Holocaust, das mir nicht bewusst war.

80 Jahre nach dem Tod des Ehepaars wurde vor der ehemailigen Wohnung an der Prinzregentenstraße 83 in München ein Erinnerungszeichen errichtet. Es ist am Ende des obigen Links zu sehen.


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Der Holocaust - Erinnerungen an ein Jahrtausendverbrechen

16.04.2025 um 11:45
Ein guter Platz für

Hans Rosenthal
1925 - 1987, einer der ganz wenigen von rund 1.500 im Stadtbereich Berlin überlebenden Juden. Drei nichtjüdische Berlinerinnen versteckten und versorgten Herrn Rosenthal über zwei Jahre in ihrem Schrebergarten bis zur Befreiung durch russische Truppen.

deutscher Entertainer, Moderator und Regisseur, Mitglied im Direktorium des Zentralrats der Juden

Sein Überleben war Verstecken, sein Leben war TV-Liebling.

Dieses Jahr wäre Hans Rosenthal 100 Jahre geworden. Das ZDF hat sich posthum bei ihm entschuldigt, dass der Sender, seinem Wunsch nach der Terminverlegung seiner Live-Sendung Dalli-Dalli am 9. November 1978 nicht entsprochen hat, als Mitglied der jüdischen Gemeinde in Berlin hatte Herr Rosenthal eine Einladung zur Gedenkveranstaltung "40 Jahre" in der Synagoge in Köln, in der der Bundeskanzler Helmut Schmidt in seiner Rede das Bewusstsein für die mahnende Erinnerung an diesen Progrom neu schuf.
Da Folge 75 der ZDF-Sendung Dalli Dalli auf den 9. November 1978 fiel, der zugleich der vierzigste Jahrestag der Novemberpogrome war, wollte Rosenthal die Sendung verschieben lassen, um an einer großen Gedenkveranstaltung in der Kölner Synagoge teilzunehmen, an der mit Helmut Schmidt erstmals auch ein Bundeskanzler teilnahm. Das ZDF erlaubte indes keine Verschiebung, sondern ergänzte das Programm mit einer Dokumentation im Anschluss an die Unterhaltungssendung. Die Ereignisse rund um die 75. Jubiläumssendung wurden 2025 in dem ZDF-Biopic Rosenthal und einer Terra-X-Dokumentation über das Leben des Entertainers thematisiert.[11]
Quelle: Wikipedia: Hans Rosenthal

Youtube: Rosenthal | Filme & Serien | ZDF
Rosenthal | Filme & Serien | ZDF
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Dieser Fernsehfilm und die aktuelle Dokumentation dazu sind in der Mediathek des ZDF abrufbar.

Wikipedia: Rosenthal (Film)

Hans Rosenthal als Interviewer, 1982:

Youtube: Helmut Kohl im Gespräch mit Hans Rosenthal
Helmut Kohl im Gespräch mit Hans Rosenthal
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16.04.2025 um 14:33
Heute will ich mal versuchen, eine Vorstellung von einem Begriff zu vermitteln, der hier im Thread schon des öfteren gefallen ist. Die Rede ist von Todesmärschen, und einer dieser bestialischen Todesmärsche, der an Grausamkeit kaum noch zu überbieten ist, war der "Todesmarsch nach Volary".

Zur Vorgeschichte:

Im Oktober 1944 hat man ca. 1.000 weibliche Häftlinge des Lagers Auschwitz/Birkenau nach Schlesiersee (Niederschlesien) gebracht, wo sie auf 2 Bauernhöfen unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht und zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. Bei eisiger Kälte hoben die unzulänglich gekleideten Frauen mit einfachsten Werzeugen 3 Monate lang Panzergräben aus.

Die schlechten hygienischen Bedingungen, sowie Unterernährung und zu hohe Arbeitsbelastung führte dazu, dass viele der Frauen bereits in dieser Zeit starben.
Es war bitterkalt in Schlesiersee, und da wir unzulänglich gekleidet waren, nahmen manche von uns Frauen die eine Decke, die sie besaßen, und trugen sie draußen bei der Arbeit. Drei oder viermal wurde eine Untersuchung bei den Frauen durchgeführt, die von der Arbeit zurückkamen, und diejenigen, die man dabei erwischte, dass sie ihre Decken trugen, bekamen zur Strafe 25 Peitschenhiebe... Die Mädchen wurden ausgepeitscht, bis sie bluteten. Von den hundert Frauen, mit denen ich arbeitete, wurden dreißig irgendwann auf diese Weise bestraft. Wir wurden auch geschlagen, wenn unsere Kleider nass oder schmutzig waren. Es war praktisch unmöglich, dies zu verhindern, da unsere Arbeit darin bestand, im Schnee Panzerabwehrgräben auszuheben.
Zeugenaussage von Zisla Heidt, abgegeben am 16. Mai 1945 vor einem Nachrichtenoffizier der US-Armee in Volary
Quelle: https://wwv.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/volary_death_march/index.asp

Als dann Mitte Januar die Rote Armee immer näher rückte, befahl Lagerkommandant Jäschke, das Lager zu evakuieren.

Die ersten 9 Tage:

Am 20. Januar 1945 begann der Marsch in nordwestliche Richtung. Ziel war das Lager Grüneberg in 95km Entfernung. Mit unzureichender Bekleidung, , einem Laib Brot und in Holzpantoffeln setzte sich der Zug in Bewegung. Die schwächsten Frauen wurden in Schubkarren geschoben. Schon nach 40km kam es zu einem Massenmord: 38 erschöpfte Frauen, die nicht mehr weiter marschieren konnten, wurden in einem naheliegenden Wald von deutschen Wärtern ermordet.
Die Deutschen Wächter nahmen 38 erschöpfte Frauen, die nicht weitermarschieren konnten, beiseite, und von diesem Augenblick an bekamen sie nichts mehr zu essen. Später, etwa um 15:00 Uhr, lud man sie auf drei Wagen… und gemeinsam mit sieben Wächtern, die den Transport in den Wald begleiteten, wurden sie weggebracht. Bei der Ankunft im Wald befahlen die Wächter den Fahrern der Wagen... anzuhalten. Dann begannen sie, die wehrlosen Frauen zu ermorden. Sie wurden kaltblütig ermordet, auf die unmenschlichste Weise, die man sich vorstellen kann.
Zitat aus dem Bericht einer Untersuchungskommission aus dem Jahre 1967
https://wwv.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/volary_death_march/index.asp

Am 28. Januar 1945 erreichten die Frauen das Lager Grünberg. Etwa 150 von ihnen kamen bis dahin ums Leben. Sie starben an Erschöpfung, Kälte, Hunger, oder wurden erschossen, weil sie nicht mithalten konnten.

Das Lager Grünberg:

Das Lager Grünberg nahe Breslau wurde 1942 als Zwangsarbeitslager für jüdische Frauen errichtet, und war Ende 1944 mit knapp 1.000 Häftlingen aus Polen belegt. 2 Tage nach Ankunft der Frauen aus Schlesiersee wurde auch das Lager Grünfeld evakuiert.

Dafür wurden die Häftlinge in zwei Gruppen geteilt. Die erste Gruppe (700 Frauen) marschierte ca. 1 Monat lang (400km) in Richtung Jüterbog. Für die Überlebenden dieses Marsches ging es dann mit dem Zug weiter nach Bergen Belsen.

Die andere Gruppe (1.100 Frauen) marschierte volle fünf Wochen lang in Richtung Bayern, zum 480km entfernten Lager Helmbrechts.

Über diesen Marsch, und was danach geschah, berichte ich demnächst in diesem Thread, denn für einen Beitrag allein ist dieses Thema viel zu umfangreich. Wer sich gern vorher informieren möchte, empfehle ich die folgende Webseite:

https://wwv.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/volary_death_march/index.asp

Dort findet man zudem noch zahlreiche Augen- und Zeitzeugenberichte, die Zeugnis von den wohl abscheulichsten Taten geben, die man sich überhaupt vorstellen kann. Ich brauche jetzt zunächst mal eine Pause, melde mich aber demnächt wieder.


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16.04.2025 um 17:19
Bevor es weiter geht, noch ein Nachtrag zum Lager Grünberg:

Hanah Kotlicki, die bereits Gefangene im Lager Grünberg war als die Frauen aus Schlesiersee ankamen, schildert das Erlebte folgendermaßen:
Zwei Tage bevor wir Grünberg verließen, kam eine Gruppe von etwa 1000 Frauen bei uns im Lager an… die meisten von ihnen aus Ungarn und Frauen aus Lodz… wir wussten nicht, dass es so etwas gab: Mädchen… ohne Haare, mit hölzernen Schuhen ohne Socken, in Lumpen gehüllt. Jede mit ihrer grauen Decke. Sie kamen von einem unsäglich strapaziösen Marsch. Es war Winter, und sie hatten draußen geschlafen… das erste, was sie taten, war, über unsere Schränke herzufallen und alles zu stehlen, was wir besaßen… sie waren sehr hungrig. Sie hatten tagelang nichts gegessen und getrunken. Wir sahen sie an und konnten es nicht fassen, dass Menschen so aussehen können… wir ahnten nicht, dass uns dasselbe Schicksal bevorstand.
Quelle: https://wwv.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/volary_death_march/index.asp

Tag 10 - Beginn des Marsches nach Helmbrechts

Ohne Schuhe und die Füße in Lumpen gewickelt machten sie sich bei eisigen Temperaturen auf den Weg. Die dünnen Decken boten kaum Schutz vor der Kälte. Hunger und Erschöpfung sorgten schon nach wenigen Kilometern dafür, dass die ersten Frauen zusammenbrachen und anschließend von den Wärtern an Ort und Stelle erschossen wurden.

Nach etwa 40km erreichten die Frauen am 31. Januar 1945 das Arbeitslager Christianstadt, wo einige Dutzend aus der Marschkolonne fliehen konnten. Viele von ihnen wurden aber gefasst, misshandelt und/oder getötet.

Gerda Weissmann Klein, eine Überlebende des Marsches erinnert sich:
Wir begannen mit dem Gedanken zu spielen, zu fliehen. Einige Mädchen waren im Schutze der Dunkelheit bereits entwischt… „Wir müssen weg", wollte ich flüstern. Stattdessen hörte ich meine Stimme sagen: „Vielleicht heute Nacht".

„Alle zum Appell!", ertönte die Stimme des SS-Offiziers. Dann hörte man Schreie und ängstliches Flehen aus dem Wald. Drei SS-Männer hatten im Wald vierzehn Mädchen gefasst. Nun stellten sie sie vor uns auf. Der Kommandant zog seine Pistole. Die Mädchen schrien. Der Kommandant feuerte immer wieder, und die Mädchen fielen um, eine auf die andere.

Ich schloss die Augen und hielt Ilse fest bei der Hand. Wir marschierten weiter. In diesem Augenblick schwor ich mir, ich würde niemals versuchen zu entkommen, niemals unser Leben selbst in die Hand nehmen, nie von dem Pfad abweichen, der uns in den Tod führte.
In der Nacht vom 10. zum 11. Februar erreichte die Kolonne Bautzen. Nachdem man die Nacht im Freien verbracht hatte, gab es am Morgen ein Stück Brot für jede Gefangene. Während der Verteilung fiel auf, dass einige Stücken Brot fehlten, und da sich niemand schuldig bekannte, wurde jede 10. Frau in den Wald geführt und erschossen. Die genaue Zahl ist nicht bekannt, aber man schätzt es waren 50 bis 60 Frauen.

Halina Kleiner, eine von 8 Frauen die eingeteilt wurden die Toten zu begraben erinnert sich:
Wir aßen das Brot…. es war „Blutbrot", aber wir aßen es…. Es gab keine Gefühle, keine Emotionen, außer dem schrecklichen Hunger.
Quelle: https://wwv.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/volary_death_march/index.asp

Die Kolonne zog weiter und erreichte am 13. Februar 1945 die Stadt Dresden, die zuvor bombardiert wurde. Gut 2 Wochen später erreichten sie das Lager Oelsnitz in Bayern, wo man 179 Frauen für marschuntauglich erklärte und ins Lager Zwodau schickte. Für den Rest ging der Marsch weiter...




Ende Teil 2 - Fortsetzung folgt...


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16.04.2025 um 19:36
Teil 3 - Das Lager Helmbrechts - 5 Wochen der Hölle

621 Gefange erreichten nach 570km und 46 Tagen Todesmarsch am 6. März 1945 das Lager Helmbrechts.

Nachdem sie dem dortigen Kommandanten SS-Unterscharführer Alois Dörr übergeben wurden, wurden alle entkleidet um die Lumpen die sie trugen zu desinfizieren. So mussten sie stundenlang in der Kälte stehen, bis man ihnen die feuchten Sachen wieder übergab.

Anschließend wurden sie in 2 unbeheizten Baracken untergebracht. Die eine war mit Holzpritschen ausgestattet und war für die Kranken vorgesehen. In der anderen hat man etwas Stroh auf dem kalten Fußboden verteilt. Für die Notdurft gab es nur 2 Eimer für mehrere hundert Frauen. Viele von ihnen wurden am folgenden Morgen ausgepeitscht, weil die Baracke verdreckt war.

In den folgenden Wochen mussten die Gefangenen unvorstellbare Qualen erleiden, die 44 von ihnen nicht überlebten. Sie wurden später in einem Massengrab auf dem jüdischen Friedhof der Stadt Hof beigesetzt.

Während dessen rückte die Westfront immer näher, so das auch dieses Lager am 13. April 1945 evakuiert werden musste. Insgesamt über 1.100 Gefangene marschierten angetrieben von ihren Peinigern in Richtung Südosten. Auf den 17km bis nach Schwarzenbach wurden 16 weitere Frauen ermordet.
Jeden Tag gab es solche, die nicht aufwachten. Es gab Tote. Anfangs töteten die Deutschen viele. Später gewöhnten wir uns daran. Wir sahen jeden Tag dasselbe. Tote, Mord und Prügel.
Tema Weinstock (geb. Pinczewska), https://wwv.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/volary_death_march/index.asp

In Schwarzenbach angekommen übernachtete man erneut im Freien, seit Tagen gab es keine Nahrung mehr. Der Bürgermeister von Schwarzenbach setzte sich dafür ein, dass man wenigstens die Kranken in einem Gebäude unterbrachte, aber auch diese erhielten keine Nahrung, so das 5 von ihnen diese Nacht nicht überlebten. Eine sechste starb dabei, als sie diese 5 zum Friedhof brachte und wurde dort gleich mitbegraben.

Die überlebenden Kranken wurden am folgenden Morgen auf einen Karren verladen, der von einem Traktor gezogen wurde. Unterwegs lud man noch 15 weitere Frauen auf und fuhr mit ihnen nach Rehau. Der Rest marschierte dann zu Fuß in Richtung Neuhausen weiter. Auch auf diesem Marsch ermordeten die Wärter zahlreiche Frauen, nur weil sie nicht mithalten konnten.

In Neuhausen angekommen, wurde Alois Dörr von einem SS-Booten unterrichtet, dass aktuell mit den Amerikanern verhandelt würde, und er von weiteren Erschießungen absehen sollte. Aber Dörr dachte gar nicht daran aufzuhören, er ließ Beweismaterial verbrennen und setzte den Marsch noch in der selben Nacht fort.

Das anschließende Chaos nutzten 50 Gefangene zur Flucht. Und auch die folgenden Tagen sollten vom Chaos geprägt bleiben. Man zog weiter von Dorf zu Dorf, unterwegs traf man wieder auf Mitgefangene, die wieder in die Kolonne eingegliedert wurden, und gestorben wurde nahezu auf jedem zurückgelegten Kilometer.

Am 23. April erreichten sie im strömenden Regen Neustadt, um am nächsten Morgen wieder aufzubrechen. Nach weiteren 22km erreichten sie das Dorf Wilkenau, wo man die Kranken auf Pferdewagen verlud. Die Kolonne wurde inzwischen von Wehrmachtssoldaten begleitet, die auf dem Rückzug waren.

Kurz darauf wurden sie von amerikanischen Tieffliegern angegriffen, es gab zahlreiche Verwundete und Tote. Auch mehrere Pferde starben bei diesem Angriff, die ausgehungerten Frauen stürzten sich sofort auf die toten Tiere, rissen mit ihren bloßen Fingern Fleisch- und Fettstücke aus den Körpern und verschlangen sie.

Die Gefangene Mary Reichmann, die bei dem Angriff von einem Wagen fiel ist sich sicher, sie hat nur überlebt, weil ihr eine Freundin ein Stück Pferde-Leber brachte.

Im nächsten Dorf (Wilkenau) wurden die Frauen zunächst auf verschiedene Bauernhöfe verteilt. Auf einem dieser Höfe fand eine Frau verfaultes Tierfutter. Als sie davon aß, schoß ihr ein Wärter ins Bein und anschließend in den Kopf.

An diesem Tag bekamen alle Frauen Suppe, die von den Dorfbewohnern zubereitet wurde. Dennoch starben in der folgenden Nacht weitere 9 von ihnen, die am nächsten Tag mit den zuvor ermordeten begraben wurden.




Ende Teil 3 - Fortsetzung folgt...


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16.04.2025 um 21:28
Teil 4 - Mittwoch, 25. April 1945 - der 96. Tag - 750km nach Beginn des Marsches

An diesem Tag verließen die Gefangenen Wilkenau, die erste Frau wurde bereits nach 1,5km erschossen und liegen gelassen.

Noch am selben Tag erreichte die Kolonne die Stadt Taus im Reichsprotektorat Böhmen. Dort wurden die Anwohner mit Warnschüssen daran gehindert, die Gefangenen mit dem Nötigsten zu versorgen.

Auch im nächsten Dorf versuchten die tschechischen Einwohner die Gefangenen zu versorgen, was Komandant Dörr veranlasste, die Route zu ändern, und auf Nebenstraßen weiter zu marschieren.

Nach weiteren 20km erreichten sie das Dorf Maxberg. Da der Bürgermeister so viele Menschen nicht unterbringen konnte, wurde wieder im Freien übernachtet. Zunächst wurde eine Ausgabe von Suppe organisiert, aber nach anfänglichen Drängeleien wieder eingestellt. In dieser Nacht und am folgenden Morgen gab es nichts zu essen, und erneut starben mindestens 3 Frauen.


Ankunft in Volary - 6 Tage vor Kriegsende

Am 3. Mai 1945 erreichten 325 jüdische und 25 deutsche Gefangene Volary. Auch hier versuchten Einwohner den Frauen Essen zu geben, und auch hier wurden sie von den Wärtern daran gehindert.

Doch selbst Dörr hatte zu diesem Zeitpunkt begriffen, dass der Krieg verloren war und beschoss, die Gefangenen am nächsten Tag freizulassen. Erneut wurden die jüdischen Gefangenen selektiert. 150 von ihnen sollten mit den 25 Deutschen zu Fuß in ein Dorf im Grenzgebiet marschieren. Die anderen 175 wurden für marschuntauglich erklärt.

35 von ihnen wurden auf einen Lastwagen verladen der von Dörr persönlich gesteuert wurde. Die anderen sollten später nachgeholt werden. Auf der Fahrt nach Prachatice, dem Dorf im Grenzgebiet, wurde der LKW jedoch von einem Flugzeug angegriffen. Alle Gefangenen und Dörr überlebten, aber eine schwangere Aufseherin kam dabei ums Leben.

Einige Gefangene nutzten die Situation zur Flucht, aber die meisten waren zu schwach um zu fliehen. Unter den verbliebenen Wärtern war auch der Freund der getoteten Wärterin. Dieser ließ 12 Frauen aus Rache erschießen, die anderen 23 wurden in einer Scheune in Bierbruck eingesperrt.

Die Gruppe die zu Fuß unterwegs war erreichte Prachatice in der Nacht, wo die 25 deutschen Frauen freigelassen wurden. 140 sterbende Frauen wurden in einem Schuppen einer Möbelfabrik untergebracht und der Heimwehr übergeben. Die 2 Bewacher machten sich aber in der Nacht aus dem Staub, da sie mit keiner Unterstützung mehr rechneten.

Der 106. und letzte Tag des Todesmarsches - nach 890km

Am darauf folgenden Morgen trieben die Wärter 22 der 23 Frauen auf einen nahegelegenen Berg und erschossen alle bis au 3 von ihnen. Aus dieser Gruppe überlebten neben Lola Lehrer, die sich in der Scheune versteckt hatte noch Anny Fogel, Luba Federman (Dzilovski) und Jadzia Goldblum.

Eine weitere Gruppe, die von Dörr an die Heimwehr in Prachatice übergeben wurde, wurde von dieser ebenfalls auf eine Anhöhe getrieben, jedoch nicht umgebracht. Einen Tag später, als ihre Wärter längst geflohen waren, begriffen die Frauen das sie frei waren, und machten sich in Richtung Osten auf den Weg, wo sie im Dorf Husinec von den Bewohnern versorgt wurden.

Auch die Bewohner von Volary fingen an, sich um die 140 Frauen zu kümmern, die in dem Fabrikschuppen zurückgelassen wurden.

6. Mai - Die Befreiung

Als am 6. Mai 1945 die ersten Truppen der US-Armee in Volary einmarschierten, wurden sie von den Einwohnern über die 140 Frauen informiert, von denen inzwischen weitere 22 gestorben waren.

Gerda Weissman-Klein beschreibt den Tag mit folgenden Worten:
Liesel lag auf dem verschmutzten Fußboden. Sie wusste, dass wir frei waren, aber es schien ihre Stimmung nicht zu heben. „Wo ist Suse?", fragte ich sie. ... „Sie ging raus, um Wasser zu holen, und ist nicht zurückgekommen. Sie ist schon lange weg." ... Ich ging, um nach Suse zu suchen. Bei der Pumpe war sie nicht. Ich fand sie in einiger Entfernung im Schlamm liegend. Ihr Blick war glasig, leer, aber einen Augenblick lang bemerkte ich nicht, dass sie tot war. „Suse, wir sind frei!", rief ich aus. „Wir sind frei, der Krieg ist vorbei!" ... Als ich sie berührte, verstand ich ... Ich erzählte es Liesel nicht. Es war zu traurig für den Tag der Befreiung.
https://wwv.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/volary_death_march/index.asp

4 Tage später starb dann auch Liesel im Krankenhaus von Volary.

In Volary gab es ein deutsches Militärlazarett, welches in einem 4stöckigen Schulgebäude untergebracht war. Am 7. Mai wurden die unteren 2 Stockwerke die mit deutschen Soldaten belegt waren geräumt, und die 118 Frauen die bis dahin den Todesmarsch überlebt hatten untergebracht. Fast alle litten an Unterernährung und wogen kaum noch 40kg.

Trotz intensiver Pflege starbe noch 19 weitere Frauen im Lazarett. Die meisten Überlebenden konnten Volary erst im Juli verlassen. Im November 1945 verstarb die erst 17jährige Dora Ebbe aus Wiesbaden. Sie war die jüngste von vier Schwestern, die ab Grünberg an dem Marsch teilgenommen hatten.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Major Aaron S. Cahan, Sanitätsoffizier der US-Armee:
Der erste Blick auf diese Frauen schockierte mich außerordentlich: ich konnte es nicht fassen, dass ein Mensch so erniedrigt, so verhungert, so mager sein und unter solchen Umständen überhaupt existieren kann … wie Mäuse lagen sie übereinander, zu schwach, um auch nur einen Finger zu rühren… Als ich den Raum betrat, glaubte ich, es läge dort eine Gruppe von Männern… Zu diesem Zeitpunkt schätzte ich ihr Alter auf zwischen fünfzig und sechzig Jahre. Ich war überrascht und schockiert, als ich eines dieser Mädchen nach ihrem Alter fragte und es sagte: „siebzehn", da ich es für nicht jünger als fünfzig hielt… Etwa 75 Prozent der Frauen mussten auf Krankentragen hereingebracht werden. Die übrigen waren imstande, mit Hilfe anderer ihre erschöpften Körper zum Krankenwagen zu schleppen… Als Sanitätsoffizier der Vereinigten Staaten bin ich der Meinug, dass etwa die Hälfte dieser 118 Frauen gestorben wären, wenn man sie nicht entdeckt und auf angemessene Weise gepflegt hätte.
Quelle: https://wwv.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/volary_death_march/index.asp




Keine Ahnung, was euch beim Lesen dieser Beiträge so durch den Kopf gegangen ist, ich bin jedenfalls zutiefst aufgewühlt, und werde wohl sehr viel Zeit benötigen, um das alles zu verarbeiten.

Und wenn bei irgendeiner Gelegenheit mal wieder die Rede von Todesmärschen ist, werde ich ganz sicher an den heutigen Tag denken, und an die zahllosen unschuldigen Opfer, die in den letzten Wochen des Krieges auf so grausame Weise umgekommen sind.


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16.04.2025 um 21:54
Und hier noch ein Zitat eines weiteren Offiziers der US-Armee, Major Henry N. Hooper, Volary, 8. Mai 1945:
Nach meinen Kenntnissen der Weltgeschichte hat die Welt nie zuvor solche massenhafte Bestialität und Brutalität gesehen, wie sie sich in der Behandlung dieser Frauen zeigte.
Quelle: https://wwv.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/volary_death_march/index.asp

Dem kann ich auch 80 Jahre danach nur zustimmen.


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16.04.2025 um 22:15
Was mich so schockiert ist, wo diese ganzen Sadisten der SS alle hergekommen sind. Der Mord an den Juden als Jahrtausendverbrechen
wurde ja von der SS verübt. Das Buch dazu von Erich Kogon "Der SS-Staat" legt die ganze Brutalität und den Sadismus offen.
Wie konnten die Männer schlafen, wenn sie am Tag solche Verbrechen begangen ?
Es ist erschreckend, zu was Menschen fähig sind. Und Heinrich Himmler entzog sich der Verantwortung feige mit einem Selbstmord bei der Verhaftung durch die Britten. Er biss auf Zyankali und der englische Militärarzt wollte ihm noch die Kapsel wegnehmen.
Da fällt mir echt nichts mehr ein.....


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16.04.2025 um 22:40
Zitat von VespafahrerVespafahrer schrieb:wo diese ganzen Sadisten der SS alle hergekommen sind
Die gab es schon zu allen Zeiten, und die wird es auch immer geben. Im Normalfall sind das nur ganz erbärmliche Kreaturen, aber wenn man Vertretern solcher Ideologien Macht verleiht, kommen sie aus ihren finsteren Verstecken gekrochen und grölen lautstark umher, weil sie glauben wieder salonfähig zu sein.

Daher müssen wir stets wachsam sein und genau hinhören wenn dieses Pack das Maul aufreißt. Wir kennen deren Methoden Angst zu verbreiten und zu spalten, und jenen die sie nicht kennen, müssen wir die Augen und Ohren öffnen, um uns gemeinsam zur Wehr zu setzen.

Wir alle sind in der Verantwortung, dass so etwas nie wieder geschehen darf, und so lange wir nicht die Augen vor der Geschichte verschließen, können wir dieser Verantwortung auch gerecht werden.

Indem wir die Erinnerungen wach halten, arbeiten wir gegen das Vergessen, und damit auch gegen unsere politischen Feinde.


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16.04.2025 um 22:48
@Peter0167
Da stimme ich zu 100 % zu. Traurig das Ganze. Es gab auch sog. "Polizeibattalione" für den Völkermord im Osten. Abartig !!!


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17.04.2025 um 13:16
Zitat von VespafahrerVespafahrer schrieb:Es gab auch sog. "Polizeibattalione" für den Völkermord im Osten.
... und deren Anteil war alles andere als unerheblich.

Auf Wikipedia findet man nicht wirklich viel zum Thema Polizeibatallone. Dort erfährt man nur die groben Hintergründe, die Strukturen und ein paar Zahlen. Demnach waren ca. 50.000 Batallonsangehörige direkt und nachweislich an der Ermordung von mindestens einer halben Million Menschen beteiligt.

Wikipedia: Polizeibataillon#In Kriegsverbrechen verwickelte Polizeibataillone

Wenn man dann etwas tiefer gräbt, wird man aber schnell fündig, wie z.B. auf dieser Seite:

http://www.gelsenzentrum.de/die_taeter.htm

Leider habe ich heute nicht so viel Zeit wie gestern, daher muss ich mich zunächst mal auf ein paar Zitate beschränken, die schon mal die Brutalität bei den Aktionen der Polizeibatallone deutlich macht:

13. Juli 1941 - Befehl zur Festnahme aller Juden im "arbeits- oder wehrfähigen Alter" in einem Stadtviertel von Bialystock.

Ein Beteiligter 59jähriger Mann schilderte die Festnahmen wie folgt:
Es gab hier furchtbare Abschiedsszenen, denn die jüdische Bevölkerung ahnte, daß diese männlichen Personen in den Tod gingen. Vermerk: "Herr H. weinte ergriffen". (...) Bestialisch wurden die Opfer von ihren Angehörigen losgerissen und auf die LKW's geprügelt. Hierbei hatten sich nicht nur Angehörige meiner Kompanie, sondern auch Teile der poln. Bevölkerung (Nichtjuden) aktiv beteiligt. Während einige Angehörige der Kompanie mit ihren Gewehrkolben auf die Juden einschlugen, besaßen die Polen bzw. die Nichtjuden Knüppel bzw. abgerissene Zaunlatten, mit denen sie ebenfalls rücksichtslos auf die Wehrlosen einschlugen. Ich war so erschüttert über diese grausame und unmenschliche Handlung, daß ich mich abseits hielt, um nicht wegen meiner Passivität aufzufallen
Weiter heißt es in dem Artikel:
Alle Festgenommenen wurden in dem Sportstadion gesammelt, in dem drei Tage zuvor der Chef der Ordnungspolizei "die Ausrottung des Bolschewismus" propagiert hatte. Nach Wegnahme der Wertsachen mussten sie dichtgedrängt in sommerlicher Hitze auf dem Boden hocken und warten. Einige wurden bewusstlos, andere begannen vor Durst zu schreien. Aus Mitleid verteilten wachhabende Polizisten Wasser an Juden, bis Unterführer darauf aufmerksam wurden und es verboten. Immer wieder erschienen Angehörige am Stadion, um sich bei den Wachposten nach dem Verbleib ihrer Männer, Väter und Söhne zu erkundigen, denen man bei der Festnahme erklärt hatte, sie kämen zu einem Arbeitseinsatz. Am späten Nachmittag begann der Abtransport der mittlerweile mehreren tausend Gefangenen in ein Waldgebiet einige Kilometer außerhalb von Bialystock. Jeweils um die dreißig Männer wurden auf die Ladefläche eines LKW gezwungen und durch Polizisten während der Fahrt bewacht.

Das Erschießungsgelände war doppelt gesichert. Eine äußere Postenkette schirmte das gesamte Areal weiträumig vor unbefugten Zuschauern ab. Um die eigentlichen Erschießungsgräben und den Bereich, wo die Juden von den LKW absteigen mussten, zog sich ein weiterer Absperring von Polizisten. Sie hatten den Befehl, auf jeden Flüchtenden sofort zu schießen. Da immer nur ein Teil der ankommenden Opfer gleichzeitig erschossen werden konnte, mussten die übrigen in Todesangst auf dem Boden kauernd warten, bis auch sie zur Erschießung getrieben wurden. Bei der Bildung der Exekutionskommandos fragten die einteilenden Offiziere und Unterführer zuerst nach Freiwilligen. Wenn sich nicht genügend meldeten, wurden weitere Polizisten einfach als Schützen bestimmt, bis die erforderliche Anzahl erreicht war.
Quelle: http://www.gelsenzentrum.de/die_taeter.htm

So grausam jede einzelne Tat auch sein mag, sie stellen für sich genommen nur Momentaufnahmen von etwas dar, dessen Umfang sich kaum noch jemand vorzustellen vermag. Aus heutiger Sicht klingt das Ganze so unwirklich, so entsetzlich, dass man es unwillkürlich aus seinem Kopf verdrängen möchte.

Aber genau das dürfen wir nicht, es ist Teil unserer Geschichte, und es ist real. Jeder sollte zumindest versuchen, sich damit mehr oder weniger auseinandersetzen, seine Lehren daraus ziehen, und dazu beitragen, dass sich so etwas nie wiederholt. Zumindest das sind wir den zahllosen Opfern schuldig.


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Der Holocaust - Erinnerungen an ein Jahrtausendverbrechen

17.04.2025 um 14:04
Zitat von VespafahrerVespafahrer schrieb:Was mich so schockiert ist, wo diese ganzen Sadisten der SS alle hergekommen sind.
Das denke ich auch jedesmal. Und es waren so unfassbar viele. Wie niederträchtig sich an dem Leid anderer zu ergötzen und sich aktiv auch für noch mehr Leid einzusetzen. Wie konnten die sich noch im Spiegel betrachten?
Zitat von Peter0167Peter0167 schrieb:Aus heutiger Sicht klingt das Ganze so unwirklich, so entsetzlich, dass man es unwillkürlich aus seinem Kopf verdrängen möchte.
Das macht eine ganze Menge mit einem.
Hab die Dokumentation über Else Baker gesehen und es hat mir das Herz gebrochen. Sie sitzt als kleine und sehr alte Frau da und weint sich die Augen aus dem Kopf während sie erzählt, was ihr in Auschwitz widerfahren ist.
„Ich bin 100 mal gestorben und habe einmal überlebt“.


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17.04.2025 um 15:35
Zitat von ShiivaShiiva schrieb:Hab die Dokumentation über Else Baker gesehen und es hat mir das Herz gebrochen.
Dieses Potential hat ja im Grunde jedes dieser Einzelschicksale, aber besonders schlimm wird es, wenn Kinder involviert sind. Da bleibt man nur fassungslos zurück und versteht die Welt nicht mehr.

Elsa Schmidt, so ihr Geburtsnahme, wurde bereits im Alter von nur einem Jahr ihrer Familie entrissen und zur Adoption freigegeben. Ihre leibliche Mutter sowie drei ihrer Geschwister wurden nach Auschwitz deportiert.

Im Alter von 7 Jahren wurde Elsa das erste Mal verhaftet und sollte ebenfalls nach Auschwitz gebracht werden. Dies konnte ihr Pflegevater gerade noch verhindern. Aber bereits ein Jahr später, im April 1944, wurde sie erneut verhaftet und nach Auschwitz deportiert.

Was das mit einem Kind in diesem Alter anstellt, vermag ich mir gar nicht vorzustellen. In Auschwitz traf Elsa dann auf 4 ihrer leiblichen Geschwister, wurde dann aber zusammen mit ihrer kleinen Schwester weiter nach Ravensbrück gebracht. Die anderen 3 Geschwister und ihre leibliche Mutter wurden in Auschwitz ermordet.

Zum Glück für Elsa ließ ihr Pflegevater nicht locker. Er schrieb viele Briefe bis in die höchsten Staats- und Parteistellen, u.a. auch an Adolf Hitler. Schließlich durfte er Elsa Ende September 1944 in Ravensbrück unter Zusicherung des Stillschweigens abholen.

Knapp 20 Jahre später verließ Elsa Deutschland und heiratete 2 Jahre später einen Engländer, und nahm dessen Namen Baker an. Noch heute lebt sie in der Nähe von London, und leistet wertvolle Zeitzeugenarbeit, wofür sie 2012 auch mir dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet wurde.

Else Baker
Bildquelle

Was mir schon bei vielen solcher Schicksale aufgefallen ist, erst nach sehr langer Zeit brechen viele von ihnen ihr Schweigen und fangen an ausführlicher über ihre Erlebnisse zu berichten. Bei Elsa Baker hat es letztlich 50 Jahre gedauert.


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17.04.2025 um 18:02
Zitat von Peter0167Peter0167 schrieb:Was mir schon bei vielen solcher Schicksale aufgefallen ist, erst nach sehr langer Zeit brechen viele von ihnen ihr Schweigen und fangen an ausführlicher über ihre Erlebnisse zu berichten. Bei Elsa Baker hat es letztlich 50 Jahre gedauert.
Ja das stimmt, in vielen Berichten wiederholt sich dann auch bei fast allen Überlebenden der Satz „Ich habe angefangen darüber zu sprechen, damit niemand vergisst was dort passierte. Ich spreche für die, die es nicht mehr können.“

Wie viel eine Seele doch aushalten kann, wenn Sie dazu gezwungen wird.

Und ja stimmt, ihr Pflegepapa hat die kleine Else befreit… das musste man erstmal bewerkstelligen aber er hat einfach nicht locker gelassen.
Welch Mut in so düsteren Zeiten.


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22.04.2025 um 18:08
Zitat von VespafahrerVespafahrer schrieb am 16.04.2025:Und Heinrich Himmler entzog sich der Verantwortung feige mit einem Selbstmord bei der Verhaftung durch die Britten.
Bei allem Respekt aber wo ist denn Bitte der Unterschied?
Das Militär Tribunal hätte ihn definitiv zum Tode verurteilt und andere Vertreter haben den Prozess über nicht so viel Reue gezeigt.

Das Ergebnis wäre auch ohne den Selbstmord von Himmler das gleiche gewesen.
Siehst du da wirklich einen Unterschied ob er da selber das Leben beendet oder die Allis ihn hängen?

Verantwortung im Sinne von aufrichtiges bereuen hätte es von Himmler nicht gegeben.
Seine Ideologie nach sah er es ja auch so dass die Allis eine SS benötigt hätte um in Europa die Zügel in den Händen zu halten.
Der Selbstmord von Himmler hat den letzten Akt in der Äußerung Himmlers Ideologie verhindert.


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22.04.2025 um 19:30
Zitat von KangarooKangaroo schrieb:Das Militär Tribunal hätte ihn definitiv zum Tode verurteilt
Naja, jemanden wie Himmler vor Gericht zur Verantwortung zu ziehen, umfasst schon etwas mehr als die Vollstreckung des unvermeidlichen Urteils.

Der Umgang mit Verantwortung ist nicht leicht. Manch einer übernimmt Verantwortung, andere lehnen sie ab ... dies hätte in einer Verhandlung neben anderen Dingen alles geklärt werden können.

Mit dem Selbstmord hat er sich dem entzogen, so blieb es ihm erspart Rechenschaft für seine Verbrechen ablegen zu müssen. War er sich über die Folgen seiner Taten bewusst? Existierte bei ihm ein Unrechtsbewusstsein? Hätte er die Strafe akzeptiert? Hätte er alles geleugnet? Hätte er versucht sich wie ein Wurm herauszuwinden um der Strafe zu entgehen?

Ich denke es gibt nicht Wenige, die gern eine Antwort auf diese Fragen bekommen hätten. Dem wollte sich Himmler offensichtlich nicht stellen, daher kann man schon davon reden, dass er sich seiner Verantwortung entzog, wenn auch nicht in letzter Konsequenz. Über die Motive möchte ich nicht spekulieren, aber Feigheit lässt sich wohl nicht ganz ausschließen.


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22.04.2025 um 20:32
Zitat von Peter0167Peter0167 schrieb:Mit dem Selbstmord hat er sich dem entzogen, so blieb es ihm erspart Rechenschaft für seine Verbrechen ablegen zu müssen. War er sich über die Folgen seiner Taten bewusst? Existierte bei ihm ein Unrechtsbewusstsein? Hätte er die Strafe akzeptiert? Hätte er alles geleugnet? Hätte er versucht sich wie ein Wurm herauszuwinden um der Strafe zu entgehen? Ich denke es gibt nicht Wenige, die gern eine Antwort auf diese Fragen bekommen hätten.
Vielleicht gibt es zur Beantwortung dieser Fragen wenigstens einen Ansatz: Seine Sicht des Verbrechens hatte Himmler ganz offen in den Posener Reden vom 04.10. und 06.10.1943 vor einer geschlossenen Runde hoher NS-Funktionäre ausgesprochen. Er sah die Shoah offenbar als schwere Pflicht, die die SS tapfer auf sich genommen habe, für die er der SS und sich selbst lobend auf die Schulter klopfte, aber über deren ganzes Ausmaß man die Öffentlichkeit besser nie aufklären solle. Anscheinend war ihm schon irgendwie klar, dass der Massenmord an den Juden bei Bekanntwerden verurteilt werden würde. Viel näher als in diesen Reden wird man der perversen Denkweise des NS-Regimes wohl kaum kommen.

Himmler in der zweiten Rede:
„Der Satz ‚Die Juden müssen ausgerottet werden‘ mit seinen wenigen Worten, meine Herren, ist leicht ausgesprochen. Für den, der durchführen muss, was er fordert, ist es das Allerhärteste und Schwerste, was es gibt. […] Sie wissen nun Bescheid, und Sie behalten es für sich. Man wird vielleicht in ganz später Zeit sich einmal überlegen können, ob man dem deutschen Volke etwas mehr darüber sagt. Ich glaube, es ist besser, wir – wir insgesamt – haben das für unser Volk getragen, haben die Verantwortung auf uns genommen (die Verantwortung für eine Tat, nicht nur für eine Idee) und nehmen dann das Geheimnis mit in unser Grab.“
Quelle: Wikipedia: Zeitgenössische Kenntnis vom Holocaust#Täterwissen
„Ich bitte Sie, das, was ich Ihnen in diesem Kreise sage, wirklich nur zu hören und nie darüber zu sprechen. Es trat an uns die Frage heran: Wie ist es mit den Frauen und Kindern? – Ich habe mich entschlossen, auch hier eine ganz klare Lösung zu finden. Ich hielt mich nämlich nicht für berechtigt, die Männer auszurotten – sprich also, umzubringen oder umbringen zu lassen – und die Rächer in Gestalt der Kinder für unsere Söhne und Enkel groß werden zu lassen. Es mußte der schwere Entschluß gefaßt werden, dieses Volk von der Erde verschwinden zu lassen. Für die Organisation, die den Auftrag durchführen mußte, war es der schwerste, den wir bisher hatten. […]
Ich habe mich für verpflichtet gehalten, zu Ihnen als den obersten Willensträgern, als den obersten Würdenträgern der Partei, dieses politischen Ordens, dieses politischen Instruments des Führers, auch über diese Frage einmal ganz offen zu sprechen und zu sagen, wie es gewesen ist. – Die Judenfrage in den von uns besetzten Ländern wird bis Ende dieses Jahres erledigt sein. Es werden nur Restbestände von einzelnen Juden übrig bleiben, die untergeschlüpft sind.“
Quelle: Wikipedia: Posener Reden#Über die „Judenfrage“

Himmler in der ersten Rede:
Ich will hier vor Ihnen in aller Offenheit auch ein ganz schweres Kapitel erwähnen. Unter uns soll es einmal ganz offen ausgesprochen sein, und trotzdem werden wir in der Öffentlichkeit nie darüber reden. Genau so wenig, wie wir am 30. Juni 1934 gezögert haben, die befohlene Pflicht zu tun und Kameraden, die sich verfehlt hatten, an die Wand zu stellen und zu erschießen, genau so wenig haben wir darüber jemals gesprochen und werden je darüber sprechen. Es war eine, Gottseidank in uns wohnende Selbstverständlichkeit des Taktes, dass wir uns untereinander nie darüber unterhalten haben, nie darüber sprachen. Es hat jeden geschaudert und doch war sich jeder klar darüber, dass er es das nächste Mal wieder tun würde, wenn es befohlen wird und wenn es notwendig ist.

Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes. Es gehört zu den Dingen, die man leicht ausspricht. – „Das jüdische Volk wird ausgerottet“, sagt ein jeder Parteigenosse, „ganz klar, steht in unserem Programm, Ausschaltung der Juden, Ausrottung, machen wir.“ Und dann kommen sie alle an, die braven 80 Millionen Deutschen, und jeder hat seinen anständigen Juden. Es ist ja klar, die anderen sind Schweine, aber dieser eine ist ein prima Jude. Von allen, die so reden, hat keiner zugesehen, keiner hat es durchgestanden. Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte, denn wir wissen, wie schwer wir uns täten, wenn wir heute noch in jeder Stadt – bei den Bombenangriffen, bei den Lasten und bei den Entbehrungen des Krieges – noch die Juden als Geheimsaboteure, Agitatoren und Hetzer hätten. Wir würden wahrscheinlich jetzt in das Stadium des Jahres 1916/17 gekommen sein, wenn die Juden noch im deutschen Volkskoerper säßen.
Quelle: https://www.1000dokumente.de/Dokumente/Rede_des_Reichsf%c3%bchrers_SS_bei_der_SS-Gruppenf%c3%bchrertagung_in_Posen


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22.04.2025 um 21:14
Zitat von Peter0167Peter0167 schrieb:so blieb es ihm erspart Rechenschaft für seine Verbrechen ablegen zu müssen.
Wieso zu müssen? Wer hätte ihn denn dazu zwingen können Rechenschaft abzulegen?

Hat ein Göring Rechenschaft abgelegt?
Oder hat er eher weiterhin die Flagge gehisst, die Anklage relativiert und sich dann ebenfalls selbst aus dem Leben verabschiedet?

Himmlers Ideologie ist doch bestens Dokumentiert.
Er war eines der obersten Köpfe im Nazi Regime und es gibt wahrscheinlich keine Hand voll anderer, welche so oft und detailiert Gesprächsthema waren.

Wenn man daran glaubt, musste Himmler sich nach seinem Tot gegenüber einer höhen Macht verantworten.


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