taren schrieb:Du kannst die Armee noch so super ausstatten am Ende werden deine Verluste doch so hoch sein das eine Berufsarmee nicht durchhalten wird. Jedenfalls gegen einen Gegner wie Russland in einem vergleichbaren Konflikt wie in der Ukraine. Selbst der beste Panzer der Welt würde gegen Drohnen scheitern.
Ja, spätestens nach einer Weile wäre die (initial zu Kriegsbeginn vorhandene) Berufsarmee personell bzw. mental-physisch abgenutzt/beeinträchtigt. Man kann sich ja mal fragen, wie viele der ursprunglichen ukrainischen und russischen Kräfte die primär frontnah gekämpft haben noch überhaupt bzw. unversehrt - mental-seelisch oder physisch - über sind. Irgendwann bist du auch "durch", wenn du am Anfang schon dabei warst und über Jahre gekämpft und überlebt hast.
Oder anders rum, welche Verlustrate diese initial vorhandenen Kräfte erlebten. Gerade wegen der höheren Verluste (wir können auch anhand kursierender Zahlen davon ausgehen, dass russische Truppen massiv bis hin zum Faktor 2 oder 3 höhere Verluste hatten als die Ukrainer) gilts auch für Russland bzw. noch mehr.
Du musst also irgendwann ausreichend Wehrpflichtige oder freiwillig nachrückende "nachschieben" bzw. Kräfte auffrischen. So stumpf es klingt: Du brauchst genug Puffer in der 2. und 3. Reihe. In einem V-Fall wären das dann z.B. wehrtaugliche Wehrpflichtige und Reservisten im R1/R2-Bestand. Oder sonst wie Beorderte. Wir reden also von einem genau erfassten (6-stellige Anzahl in der aktiven Wehrüberwachung oder so) bis hin zu einem formell abstrakten Kreis aller wehrrechtlich verfügbaren Personen im Land bis ca. 65. Jahre oder so.
Es ist irgendwie bitter: Niemand hat eigentlich aufs Sterben (in einem Krieg) Lust. Niemand hat eigentlich generell darauf Lust.
Aber du brauchst im worst-case dann genug Leute, die bereit wären das Risiko einzugehen und es würden in einem längeren Krieg auch viele sterben. Aber das ist - wenn es zu einem Verteidigungskrieg kommt - die einzige Möglichkeit, den Aggressor abzuwehren sonst hat man kollektiv verloren bzw. muss in den meisten Fällen langfristig nach fremder Pfeife tanzen. Partiell bis vollumfänglich.
Im Grunde kann man das auf simple Fragen runterbrechen die man jungen und älteren Menschen (auch ältere Menschen können sich in der Reserve usw. noch einbringen) stellen kann:
1) Was ist euch die Verteidigung unserer Gesellschaft, Lebensweise, Rechtsordnung und die der Verbündeten wert?2) Tragt ihr eine wachsende Resilienz, Ertüchtigung und Verteidigungsfähigkeit mit, auch wenn ihr selbst nicht zwingend militärisch eingesetzt werden wollt?Wenn wir aber eine wachsende Zahl an ungewillten (im Sinne der Fragen oben) Menschenmengen haben, die irgendwann eine kritische Masse erreichen würde, dann können wir es auch lassen.
Dann haben wir aber auch theoretisch schon verloren und auch den Grundsatz "Nie wieder!" erfolgreich entkernt oder zerschossen und im Zweifel die liberale Demokratie schon in gewisser Weise ein wenig begraben. "Nie wieder" - ja, es ist als die historische Anspielung zu verstehen - ist für mich denklogisch ein Wachen und abwehren nicht nur gegen innere Gefahren, es muss auch denklogisch gegen äußere Gefahren gelten. Wenn wir das dann abkapseln oder im Zweifel nicht mehr die Gesellschaft vor äußeren Gefahren verteidigen wollen, wird es mau.
Denn innere Gefahren werden ironischerweise von den gleichen Akteuren mitbefeuert (über Desinformationskampagnen etc) die auch unsere äußere Sicherheit gerade akuter als sonst bedrohen. Wenn die innere Lage auch noch kippen würde, dann kann es das ganz schnell bzw. mittelfristig dann gewesen sein.
Es wäre irgendwie ironisch wenn ich jetzt mal kurz im Sinne des Arguments einen worst-case skizzieren darf: Die liberale Demokratie langfristig verloren, weil man kollektiv in Summe zu faul/feige war, diese auch resolut zu verteidigen. Wie gesagt, individuell kann ich verstehen, dass niemand "Bock" auf Krieg hat. Ich habs auch nicht und hoffe es eskaliert nicht weiter.
Aber wir sind am Ende als Gesellschaft auf genug Menschen angewiesen die Risiken eingehen würden und sollten ihnen dann, wenn sie es müssen, die bestmögliche Unterstützung und Rückendeckung geben.